Talita Kum

Chronik

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Liebe Besucher,
diese Seite befindet sich noch im Aufbau. Doch sehr gern stellen wir Ihnen an dieser Stelle schon einmal diesen Bericht der Zeitung „Die Welt“ vom 05. 05. 2000 vor, geschrieben von Gisela Schütte. Hier erfahren Sie Vieles über die wunderbare Idee von Siegfried Harden, hilfsbedürftigen alten Leuten zu helfen, in ihrem gewohnten, heimatlichen Umfeld zu bleiben. Ein einmaliges Projekt, das von unzählig vielen Helfern mit großer Freude unterstützt und gemeinsam aufgebaut wurde.

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Senioren bauen ihre einstige Schule zum Altenheim um


DIE WELT: Veröffentlicht am 05.05.2000 | Von Gisela Schütte
Engagement eines Vereins, damit Hilfsbedürftige in ihrer alten Umgebung bleiben können - Die ganze Nachbarschaft packt mit an Das Hamburg-Wappen unter dem Giebel glänzt wie frisch gestrichen. Die roten Ziegel leuchten in der Sonne. "Wir haben die Fassaden komplett abgewaschen", erklärt Siegfried Harden den Glanz und schaut stolz auf die Baustelle, das historische Schulgebäude von Neuengamme, gleich neben der Kirche. Der Backsteinbau mit dem Giebeldach wurde bald nach 1890 gebaut. Generationen von Schülern aus den Vier- und Marschlanden haben hier in den Bänken gehockt, anfangs noch in Tracht, haben das Einmaleins und Deklinationen gepaukt, bevor sie am Nachmittag in den elterlichen Gartenbaubetrieben ackern mussten. 1964 war es mit der Dorfschule vorbei. Wohnungen wurden eingebaut. Als die Räume zu desolat waren, um weitere Mieter zu finden, stand die Schule zum Verkauf. Ein Verein hat das Haus erworben und zur ungewöhnlichsten Baustelle von Hamburg gemacht: Aus der Schule wird ein Altenheim. Fast alle, die hier auf dem Bau schuften, die Mauern ausbessern, das Dach decken, verputzen, Bodendielen auswechseln, Leitungen legen und neue Fenster einbauen, sind Senioren. Etliche kennen die Schule aus eigener Erfahrung. Und in Zukunft wird der eine oder andere von ihnen womöglich wieder in seine alte Schule, pardon, das neue Seniorenheim einziehen. Organisator der Baustelle ist Siegfried Harden, mit 52 Jahren Junior auf der Baustelle und Vorsitzender im Verein, der sich "Talita Kum" nennt. Das heißt "Mädchen, steh auf" und stammt aus dem Neuen Testament, aus der Geschichte von der wundersamen Heilung des Mädchens durch Jesus. Der christliche Verein hat sich im Umfeld der Neuengammer Kirche gegründet und engagiert sich in der Hilfe für Alte und Kranke mit dem Ziel, das Alten- und Pflegeheim "Talita Kum" zu bauen. Der Vorsitzende Harden besuchte übrigens die letzte Klasse, die ihren Abschluss in der Dorfschule machte. Ziel des Projekts: "Wir möchten, dass die alten Menschen aus unseren Dörfern, die nicht mehr allein wohnen können, in ihrer Umgebung bleiben können", erklärt Harden. Im Inneren der Baustelle herrscht Hochbetrieb. Walter Soltau (73), gelernter Schlachter und zuletzt Gärtner, reißt im ersten Stock alte Dielenbretter ab. Ulrich Pultke (69), früher technischer Angestellter bei der Dasa, und Henning Zufall (67), gelernter Ofenbaumeister und Fliesenleger, kümmern sich um die Badezimmer-Kacheln. Hardens Großmutter, Charlotte Hermann (94), hat bis vor zwei Wochen die Bauarbeiter zu den Wochenenden mit selbst gebackenem Butterkuchen zum Durchhalten ermuntert. Momentan kann sie schlecht laufen. Zu einem Besuch der Baustelle lässt sie sich im Rollstuhl bringen. Im Schulgarten hat Otto Dreher (85) das Regiment übernommen. Der gebürtige Ostpreuße wohnt seit dem Krieg in Hamburg und hat sich seinen Lebensunterhalt als Knecht in einem Gartenbaubetrieb verdient. Jetzt darf er dort auch im Ruhestand weiter wohnen. Otto Dreher macht nicht viele Worte. Er gräbt den Garten um. Ruhig, langsam, aber beständig. "Er war nie in seinem Leben krank", weiß Harden. Fassade und Dach der Schule sind unterdessen tipptopp, die Fenster erneuert, die Gemeinschaftsräume vorbereitet. Eine kleine Sanierungsaufgabe wartet noch im Garten: die Reihe der historischen Klohäuschen, von denen der Denkmalschutz mindestens zwei retten möchte, eins für Jungen, eins für Mädchen. Der betagte, tatkräftige Bautrupp arbeitet ehrenamtlich in der alten Schule. Auch Harden, der im Alltag Blumengroßhändler ist und das Bauvorhaben Altenheim nebenher managt. Dabei gilt es, nicht nur die Helfer zu koordinieren, sondern auch die erforderlichen Spenden zu akquirieren, damit der Bau weiter läuft. Da helfen auch Naturalien. Die Harburger Firma HC Hagemann beispielsweise unterstützt das Projekt mit Expertenwissen: Ein Bauleiter sah nach dem Rechten, und auch Gerät wird zuweilen über das Wochenende ausgeliehen. Ab und an schaut auch der Chef Arne Weber persönlich vorbei. Die Schule ist ein Beleg dafür, wie sich in den Dörfern auf Hamburger Gebiet der ländliche Gemeinschaftssinn noch erhalten hat. Hier wird auch an Wochenenden für andere gebaut, und die Gattinnen der Freizeit-Arbeiter kochen freiwillig Kaffee oder helfen, die Baustelle aufzuräumen. Nur zur Kirchgangzeit ist eisern Pause. Über die Geschichte der Schule hat Harden ein Album angelegt: mit Bildern, vom historischen Schulalltag ebenso wie vom schrittweisen Umbau, der zum Jahresende abgeschlossen sein soll, sowie vom Wirken des ersten Lehrers Heinrich Weper (1858-1953), der noch mit dem Pferdewagen durchs Dorf fuhr. Er ist übrigens bei der Kirche begraben, mit Blick auf seine alte Schule...

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Heute, 20 Jahre später, leben unsere alten Damen und Herren hier in diesem Heim sehr gern. Es wird viel geklönt und gelacht. Gemeinsame Ausflüge in die nähere Umgebung werden unternommen. Am Nachmittag wird gemütlich Kaffee getrunken fast immer mit selbstgebackenem Kuchen. Es finden regelmäßig Abendmahlsfeiern und Altentraining statt, täglich eine kurze Morgen- und Abendandacht und Vieles mehr. Damit sie an dieser Stelle einen kleinen Eindruck erhalten, wie schön und vielseitig das Zusammenleben hier bei uns im Talita Kum Neuengamme ist, schauen Sie sich doch gern einmal unser aktuelles Heft an. Viel Spaß dabei!

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